Breitensport - der Garant für nachhaltige Bewegungsförderung?!
Beim diesjährigen „Gesundheits- und präventionspolitischen Abend“ in Berlin stellten der DOSB und die Deutsche Krebshilfe die Bedeutung des Breitensports für Prävention und Bewegungsförderung in den Vordergrund. Über 150 Gäste aus Sport, Wissenschaft, Medizin und Politik diskutierten, wie Breitensport zu einem aktiven Leben und zur Prävention nichtübertragbarer Krankheiten wie Krebs beiträgt.
Sabine Dittmar, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Gesundheit, betont: „Bewegung im Alltag und Sport sind wichtige Präventionsmaßnahmen, um Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebserkrankungen, Depressionen und die Entstehung von Zuckerkrankheit zu vermeiden. Es lohnt sich in jeder Lebensphase, aktiv zu werden.“
DOSB-Vizepräsidentin Kerstin Holze und der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krebshilfe, Gerd Nettekoven, hoben die Erfolge der 10-jährigen gemeinsamen Initiative „Bewegung gegen Krebs“ hervor. Dazu zählen unter anderem der Auf- und Ausbau von Strukturen und Netzwerken im Bereich Sport und Krebs. Zudem wurde über die Jahre hinweg mit gemeinsamen bundesweiten Kampagnen wie „Bewegung ist die beste Medizin“ eine hohe Aufmerksamkeit für das Thema Krebsprävention durch Sport und Bewegung generiert. Paralympics-Siegerin Elena Semechin schilderte ihre persönlichen Erfahrungen mit Krebs und die wichtige Rolle von Sport in ihrer Genesung.
Gesellschaftliche Herausforderungen wie Bewegungsmangel und Risikofaktoren wie starkes Übergewicht rücken auch den Breitensport immer stärker in den Fokus der Bewegungsförderung. Sport und Bewegung sind wichtig für die Krebsprävention. Etwa 6 Prozent der Neuerkrankungen könnten durch ausreichende Bewegung vermieden werden. „In der Prävention liegt ein enormes, bisher ungenutztes Potential für die Krebsbekämpfung. Schon heute wissen wir, dass rund 40 Prozent aller Krebserkrankungen durch eine gesunde Lebensweise verhindert werden könnten. Hierzu zählt auch Sport und Bewegung. Dennoch ist das Gesundheitswesen in Deutschland weit davon entfernt, dieses Potenzial voll auszuschöpfen - es braucht mehr Krebspräventionsangebote in der Breite“, sagte Gerd Nettekoven, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Krebshilfe. Gemeinsam mit dem Deutschen Krebsforschungszentrum errichtet die Deutsche Krebshilfe das Nationale Krebspräventionszentrum in Heidelberg. Das Zentrum soll im Sinne eines Comprehensive Prevention Center notwendige Präventionsforschung, Aus- und Weiterbildung sowie Öffentlichkeitsarbeit und Politikberatung unter einem Dach vereinen. „Hier ist eine enge Zusammenarbeit und Abstimmung mit den Bundesministerien für Gesundheit und Forschung, dem BIPAM sowie dem DOSB und weiteren relevanten Stakeholdern, von großer Bedeutung damit wir gemeinsam das volle Potenzial der Krebsprävention sowie der gesundheitsfördernden Wirkung des Breitensports ausschöpfen können“, so Nettekoven.
Als Dachverband des organisierten Sports setzt sich der DOSB seit jeher für die Bewegungsförderung ein. Bespielweise feiert das Präventionssportsiegel „SPORT PRO GESUNDHEIT“ im kommenden Jahr 25-jähriges Jubiläum. Mit der Bewegungslandkarte (BeLa) wurde eine digitale Plattform geschaffen, die die Vielfalt an Bewegungsangeboten vor Ort darstellt und zugänglich macht.
Auch in Zukunft gibt es akuten Handlungsbedarf, damit Breitensport ein Garant für nachhaltige Bewegungsförderung und somit ein wichtiger Baustein der Prävention bleibt. Kerstin Holze, DOSB-Vizepräsidentin, machte deutlich: „Der organisierte Sport mit seinen 86.000 Sportvereinen ist die Heimat des Breitensports. Damit er seine volle Kraft entfalten und mit Sport- und Bewegungsangeboten für ALLE seinen wichtigen Beitrag zur Prävention von Krankheiten wie Krebs leisten kann, braucht es die Rückendeckung und Anerkennung der Politik sowie ergänzend zur Zuständigkeit der Länder eine strukturelle Verankerung des Breitensports auf der Bundesebene.“
(Quelle: DOSB)
Weitere wichtige Hürde: Kabinett beschließt Sportfördergesetz
Insbesondere wird, wie vom DOSB gefordert, erstmals die Verantwortung für die Spitzensportförderung des Bundes gesetzlich in einem Sportfördergesetz festgeschrieben. In dem Gesetzentwurf sind jetzt auch Forderungen des Sports berücksichtigt, die im Rahmen der Verbändeanhörung eingebracht wurden. Die parlamentarischen Beratungen müssen nun dazu genutzt werden, um weitere Verbesserungen zugunsten des Spitzensports in Deutschlands zu erreichen.
DOSB-Präsident Thomas Weikert: „Nach zwei Jahren Vorarbeit wurde mit dem heutigen Kabinettsbeschluss des Sportfördergesetzes ein weiterer wichtiger Schritt gegangen. Dies ist ein bedeutendes Signal für die zukünftige Entwicklung und nachhaltige Stärkung des Spitzensports in Deutschland. Wie im Sport gilt aber auch hier: Auf der Zielgeraden muss das letzte Quäntchen herausgeholt werden. Wir sind überzeugt, dass dieses Gesetz noch verbessert werden kann und muss, um echte Spitzenbedingungen für unsere Trainer*innen und Spitzenathlet*innen zu schaffen.“
Positiv ist, dass in Reaktion auf die Stellungnahme des DOSB und weiterer Akteure aus dem organisierten Sport zum Referentenentwurf an entscheidenden Stellen im Gesetzentwurf noch Änderungen vorgenommen wurden. So wird nochmal deutlicher, dass die konkreten Förderentscheidungen durch die Spitzensportagentur selbst getroffen und die Einflussmöglichkeiten der Aufsichtsgremien begrenzt werden. Auch der Erlass der künftigen Förderkonzepte und -richtlinien ist jetzt klar geregelt und wird somit nicht zur Streitfrage in den Gremien. Zudem werden die besonderen Belange der Teamsportarten bei den förderfähigen Zielwettkämpfen jetzt besser berücksichtigt. Insgesamt wurde an vielen kleinen Stellschrauben gedreht, die das Sportfördergesetz und die geplante Spitzensportagentur näher am gemeinsamen Ziel einer einfacheren, effizienteren und innovativeren Spitzensportförderung ausrichten.
Gleichzeitig ist im Entwurf nicht alles Gold was glänzt. Die Bundesregierung nutzt weiterhin nicht alle Möglichkeiten zur Flexibilisierung und Entbürokratisierung aus, die ihr zur Verfügung stünden. Wir halten es etwa für dringend notwendig, die Festbetragsfinanzierung als Standard der Verbändeförderung einzuführen, um Verbände deutlich zu entlasten und einen zusätzlichen Anreiz zur Mitteleinwerbung zu schaffen. Die Agentur braucht zudem direkt im Gesetzestext die Möglichkeit für Selbstbewirtschaftungsmittel und eine Soll-Regelung für eine Überjährigkeit der Förderung, um im Zusammenspiel von Agentur und Verbänden mehr Flexibilität in der Förderung und mehr Reaktionsmöglichkeiten auf kurzfristige Veränderungen zu ermöglichen. Und schließlich brauchen wir Ausnahmen vom Besserstellungsverbot, um das beste Personal für eine schlagkräftige Agentur finden und halten zu können. Nachbesserungsbedarf gibt es außerdem bei der sozialen Absicherung der Trainer*innen und der Athlet*innen.
DOSB-Vorstandsvorsitzender Torsten Burmester: „Das Sportfördergesetz und die Spitzensportagentur sind zwei zentrale Bausteine der Spitzensportreform, diese sind jetzt auf den Weg gebracht. Parallel arbeiten wir gemeinsam mit dem Bundesinnenministerium und den Ländern an vielen weiteren Zukunftsaufgaben für ein besseres und erfolgreiches Spitzensportsystem. Denn klar ist auch, dass wir nur mit einer gesamtgesellschaftlichen Kraftanstrengung auf allen Ebenen des Sports mittel- und langfristig eine Verbesserung der Spitzenleistungen erreichen werden.“
(Quelle: DOSB)
Der Sport feiert Mitgliederrekord – Warum ich mir trotzdem Sorgen mache
Ein Kommentar von DOSB-Präsident Thomas Weikert
Sport ist meine Leidenschaft. Meinem Verein, dem Tischtennisclub Elz 1947 e.V., bin ich seit meiner Jugend treu. Damit bin ich einer von zig Millionen Menschen in Deutschland, die dem Sport gerade erst einen Rekord beschert haben. 28.764.951 Mitgliedschaften zählen unsere Sportvereine im Land. Nie waren es mehr.
Eine Halle, ein Tisch, ein Schläger, ein Ball, ein Gegenspieler. Mehr brauche ich nicht, um Spaß zu haben, um Freundschaften zu knüpfen, um Alltagsstress abzubauen. Der Sport ist für mich mehr als eine gesunde Freizeitbeschäftigung. Durch meinen Verein habe ich unzählige wunderbare Menschen kennengelernt, habe gesehen, wie Kinder und Jugendliche Spaß am Sport finden, am sich miteinander messen, wie ehrgeizige Menschen lernen, mit Niederlagen umzugehen und Gegnern Respekt zu zollen. Werte, von denen unsere Gesellschaft enorm profitiert und von denen ich mir in unserem Umgang miteinander mehr wünschen würde.
Als Jugendlicher bin ich Mitte der Siebzigerjahre dem TTC Elz beigetreten und habe mich dort als Jugendvertreter ehrenamtlich eingebracht. Diese Aufgabe hat mir so viel Spaß gemacht, dass ich dem Ehrenamt bis heute, rund 50 Jahre später, zutiefst verbunden bin. Mittlerweile auf anderer Ebene als Präsident des DOSB und Vorsitzender meines Heimat-Sportkreises Limburg-Weilburg. Aber nach wie vor auch im TTC Elz. Seit mehr als drei Jahrzehnten bin ich dort Geschäftsführer.
Mittlerweile bin ich über 60 und die Frage stellt sich sicherlich: Wie lange kann ich dieses Ehrenamt noch ausüben? Und wer folgt mir?
Mit diesen Fragen bin ich und ist mein Verein nicht allein. Ich sehe, wie Sportvereine jeden Tag damit kämpfen, dass zu wenig Personal vorhanden ist. Egal ob Vorstand, Kassenwartin, Übungsleiter oder Trainerin – unsere 86.000 Sportvereine suchen händeringend nach Unterstützung, um den Betrieb aufrechtzuerhalten. Die Bindung und Gewinnung von Ehrenamtlichen, von Trainerinnen, von Schiedsrichtern zählt für Vereine zu den größten Herausforderungen.
Der Rückgang des Engagements liegt vor allem an veränderten Rahmenbedingungen. Die Anforderungen an und Ansprüche von Menschen heute sind andere als früher. Viele wollen sich nicht langfristig für ein Amt binden, sondern lieber kurzzeitig aushelfen bei einem Vereinsfest, an der Kasse am Spieltag, als Co-Trainerin. Ich kann das verstehen und gleichzeitig mache ich mir Sorgen um den Sport – Mitgliederrekord hin oder her. Es ist höchste Zeit, dass die Rahmenbedingungen für das Ehrenamt so angepasst werden, dass es wieder attraktiver wird und Menschen sich gerne engagieren. Das können wir im Sport nicht allein.
Als Sportverband können wir keine Rentenpunkte für ehrenamtliches Engagement einführen, wir können die Ehrenamtspauschale nicht eigenständig erhöhen, wir können in der Gesellschaft nicht mit einer Zauberformel für mehr Anerkennung für ehrenamtliches Engagement sorgen. Dazu braucht es die Politik.
Wenn 28.764.951 Mitgliedschaften in 86.000 Sportvereinen eins bedeuten, dann das: Sport im Verein bringt mehr Menschen zusammen als irgendein anderer Bereich unserer Gesellschaft. Er verbindet, er hält gesund, er integriert und sozialisiert. Und er hat mehr Unterstützung verdient.
Ich weiß, dass nicht jeder in seiner Jugend einem Verein beitreten wird, um Jugendwart zu werden. Das erwarte ich auch nicht. Ich erwarte aber, dass die Politik die Rahmenbedingungen so verbessert, dass Jugendliche und Erwachsene sich engagieren wollen, dass sie das Gefühl haben, dass es sich lohnt, ein Ehrenamt auszuüben. Dass sie dafür die finanzielle, gesellschaftliche und politische Anerkennung erhalten, die sie verdient haben.
Nur dann gelingt uns auch der nächste Mitgliederrekord im Sport. Und dann werde ich auch jubeln.
(Autor: Thomas Weikert, DOSB-Präsident)