Spiele im Wandel
Keine Frage, es waren wahrlich beeindruckende und emotionale Momente und Bilder, die die Olympischen und Paralympischen Spiele von Paris in den zurückliegenden Wochen en masse kreiert haben. Egal ob glanzvolle Eröffnungs- und Abschlussfeiern, imponierende Sportstätten zwischen Eiffelturm, Grand Palais und Versailles oder die bei Zuschauenden, freiwilligen Helfer*innen und Athlet*innen stetig zu spürende Begeisterung: Paris 2024 hat in vielen Bereichen neue Maßstäbe gesetzt. Nicht wenige sprechen von den besten Spielen aller Zeiten, vom Beginn einer neuen Epoche der Olympischen und Paralympischen Spiele.
Wirklich überraschen kann die positive Strahlkraft der „Games Wide Open“, die womöglich auch in vielen Köpfen hierzulande das kritische Verhältnis zu den Spielen etwas geradegerückt hat, indes nicht. Dass die „Stadt der Liebe“ mit ihrem einzigartigen Charme die perfekte Kulisse für ganz besondere Spiele liefern würde, war im Vorfeld abzusehen. Aber auch darüber hinaus konnte man erwarten oder zumindest erhoffen, dass mit Paris 2024 ein neues Kapitel in der Geschichte der Olympischen und Paralympischen Spiele beginnt. Nicht ohne Grund hat auch der DOSB in den Planungen seiner Olympiabewerbung für 2036 oder 2040 stetig darauf hingewiesen, dass sich die Spiele im Wandel befinden. Dass sich die Rahmenbedingungen seit der letzten, im November 2015 in Hamburg gescheiterten Bewerbung grundlegend verändert haben.
Die Spiele von Paris waren die ersten, die die neuen Rahmenbedingungen, die das IOC durch einen permanenten Reformprozess seit 2014 geschaffen hat, voll ausnutzen konnten. Die vor allem auf Nachhaltigkeit, Kostenreduzierung und konzeptionelle Flexibilität ausgerichtete Agenda 2020+5 und die „New Norm“ erlauben es den Ausrichtern der Spiele mehr denn je neue Akzente zu setzen und sie so zu gestalten, dass sie perfekt zu den Bedingungen und Stärken des Gastgeberlandes passen. Den übergeordneten Leitsatz „Die Spiele passen sich dem Gastgeber an, nicht der Gastgeber den Spielen“ haben die Veranstalter*innen in Paris nahezu in Perfektion umgesetzt.
Was aber bedeutet der olympische Erfolg im Nachbarland nun für eine erneute Bewerbung Deutschlands? Eine Frage, die wenige Tage nach der Abschlussfeier der Paralympischen Spiele sicher noch nicht vollumfänglich beantwortet werden kann. Hierfür bedarf es gerade in Bezug auf ökonomischen und nachhaltigen Erfolg tiefgreifender Evaluierungen, Umfragen und Analysen. Es besteht jedoch bereits jetzt berechtigte Hoffnung, dass die Zustimmung für die „neue Form“ der Spiele gestiegen ist. Zumindest lassen viele Aussagen aus Politik, Gesellschaft und Sport darauf schließen, dass es nach Paris ein Momentum für eine deutsche Olympiabewerbung gibt. Ein Momentum, das der DOSB gezielt und sinnhaft nutzen sollte.
Die Organisator*innen von Paris 2024 haben eindrucksvoll unter Beweis gestellt, dass sich Mut, Standhaftigkeit und Innovationsgeist bei der Bewerbung und Planung auszeichnen. Die Umsetzung der Idee, die Spiele dank urbaner Sportstätten in oftmals historischen Kulissen wieder näher an die Menschen zu bringen, war sicher nicht immer ein Selbstläufer. Ebenso wie der Plan von Eröffnungsfeiern im öffentlichen Raum – kostenlos zugänglich für tausende Gäste aus aller Welt. Doch der Mut und die Standhaftigkeit von Sport und Politik wurden belohnt. Allein das sollte Motivation genug sein, auch eine deutsche Bewerbung weiterhin mit Mut, Zuversicht, einer gewissen Portion Innovationsgeist und vor allem gemeinsam voranzutreiben. Dass es zur Umsetzung dieser innovativen Ideen keineswegs einer Vielzahl an kostspieligen Neubauten bedarf, hat Paris ebenfalls unter Beweis gestellt. Gigantische Spiele gehen inzwischen eben auch ohne baulichen Gigantismus.
Die ersten Spiele in unserem Nachbarland seit 1992 haben zudem deutlich vor Augen geführt, welche gesellschaftlichen und sportlichen Impulse vor, während und vermutlich auch nach Olympia gesetzt werden können. Dass Frankreich bei den Olympischen Spielen seine Medaillenausbeute im Vergleich zu Tokio nahezu verdoppeln (64:33 Medaillen) und auch bei den Paralympischen Spielen über ein Drittel mehr Plätze auf dem Siegerpodest bejubeln konnte (75:55), ist sicherlich nicht nur auf den Heimvorteil, sondern vielmehr auch auf eine veränderte Spitzensportförderung im Vorfeld der Spiele zurückzuführen. Und auch die Tatsache, dass sich im Medaillenspiegel nahezu alle Gastgebenden-Nationen der vergangenen Jahrzehnte in den Top Ten wiederfinden, mag ein Indiz auf eine durch die Spiele zielgerichtetere Förderung im Leistungssportbereich sein.
Doch die Olympischen und Paralympischen Spiele von Paris wirken weit über die Grenzen des Leistungssports hinaus. Während wir hierzulande der Abschaffung der zweiten Sportstunde oftmals näher sind als der Einführung der dritten, wurden in Vorbereitung auf die Spiele in allen französischen Grundschulen 30 Minuten tägliche (!) Bewegung fest in den Lehrplan aufgenommen. 36.000 Kinder in ganz Frankreich bekamen dank der Spiele die Möglichkeit zu kostenlosem Schwimmunterricht. Wie gut, dass im Vorfeld der Spiele in Frankreich 275 Schwimmbäder in ländlichen Gegenden neu gebaut wurden. Zudem wurden in ganz Frankreich 5.000 kommunale Sportanlagen neu eröffnet und durch das Programm Terre de Jeux 2024 4.500 Städte und Regionen inspiriert, über 50.000 sportbezogene Veranstaltungen durchzuführen, um so die Teilnahme am Sport im ganzen Land zu fördern. Und dass über 40.000 Teilnehmer*innen direkt im Anschluss an den Männer-Marathon die Strecke nutzen und sich somit für einige Stunden als echte Olympia-Teilnehmer*innen fühlen konnten, ist ein weiterer Beweis dafür, dass sich die neuen Spiele viel mehr an den Erwartungen der Menschen orientieren.
Ohne detaillierten Analysen vorzugreifen, steht außer Frage: Eine deutsche Bewerbung kann eine Menge von den Spielen in Paris lernen. Aber wir sollten dennoch nicht blind versuchen, diese einfach zu kopieren oder das, was an der Seine besonders gut gewesen ist, noch besser, noch größer machen zu wollen. Das ist – in neuen olympischen Zeiten – nicht nötig. Die Spiele von Paris waren deshalb so erfolgreich, weil es Frankreich im Zusammenspiel mit dem IOC perfekt verstanden hat, die Stärken, Bedürfnisse und Gegebenheiten der französischen Hauptstadt und des Landes in Szene zu setzen. Damit haben die Olympischen und Paralympischen Spiele 2024 nicht nur die Menschen in ihrem Land, sondern überall auf der Welt begeistert. Und genau dies muss auch weiterhin Antrieb und Ziel eines deutschen Bewerbungskonzeptes sein. Dieses braucht ein besonderes Alleinstellungsmerkmal „Made in Germany“ – wir arbeiten daran…
(Autor: Stephan Brause, Leiter der Stabsstelle Olympiabewerbung im DOSB)
BundesNetzwerkTagung des queeren Sports 2024
Ziel der Veranstaltung ist es, die Akzeptanz von geschlechtlicher und sexueller Vielfalt im Sport zu stärken und Diskriminierung aufgrund von sexueller und geschlechtlicher Identität zu verringern. Die BuNT bietet eine Plattform für Austausch, Workshops, Diskussionen und Vernetzung, um gemeinsam praktische Maßnahmen zur Förderung von Vielfalt im Sport zu entwickeln.
Teilnehmende haben die Möglichkeit, an verschiedenen Workshops teilzunehmen, beispielsweise zum Thema „Wie mache ich meinen Verein queerfreundlich(er)?“. Zudem werden Vorträge zu innovativen Praxisbeispielen wie RUNN+ gehalten. In Zusammenarbeit mit der dvs-Kommission für Geschlechter- und Diversitätsforschung sind auch eine Keynote und eine Podiumsdiskussion mit Vertreter*innen aus Politik, Sport und Wissenschaft geplant.
Die Tagung findet vom 4. bis 10. November 2024 sowohl digital als auch vom 8. bis 10. November 2024 in der Akademie des Sports in Hannover statt.
Die Anmeldung zur BuNT 2024 ist kostenlos. Das Anmeldeformular, das detaillierte Programm sowie weitere Informationen gibt es auf der Website unter folgendem Link: vielfalt-in-bewegung.de/bunt2024/.
(Quelle: Vielfalt in Bewegung)
„Ich würde mir für die Zukunft mehr Barrierefreiheit wünschen!“
Herzlichen Glückwunsch zum zweifachen Gold bei den Paralympischen Spielen in Paris 2024! Wie hast du deine Erfolge gefeiert, und gab es dabei einen besonderen Moment, der dir in Erinnerung geblieben ist?
Natascha Hiltrop: Vielen Dank für die Glückwünsche. Ich bin nicht so der Typ fürs Feiern, aber wir haben am Abend vor unserer Heimreise mit ein wenig Sekt angestoßen und den Abend ruhig ausklingen lassen.
Du warst von 2018 bis 2020 als Sport-Inklusionsmanagerin im gleichnamigen Projekt des DOSB beim Deutschen Schützenbund tätig. Welche Projekte konntest du während dieser Zeit erfolgreich umsetzen?
Natascha Hiltrop: Wir haben für die Para-Bogenschütz*innen in Wiesbaden ein Europacup-Finale organisiert und unsere Vereine darauf aufmerksam gemacht, dass sie mithilfe einer neuen Förderung durch die Aktion Mensch ihre Vereinsheime barrierefreier machen können. Bei Fragen haben wir auch bei der Antragstellung geholfen. Mittlerweile haben einige Vereine Rampen oder automatische Türen, um den Zugang zu erleichtern oder überhaupt zu ermöglichen. Beratungen zu Inklusionsthemen, wie beispielsweise zur Klassifizierung, gehörten ebenfalls zu den Aufgaben.
Gibt es spezifische Anforderungen oder besondere Herausforderungen im Sportschießen im Hinblick auf Inklusion?
Natascha Hiltrop: Der Schießsport an sich ist sehr inklusiv. Eigentlich kann ihn jede*r ausüben, ob gehörlos, blind oder mit Einschränkungen in den Extremitäten. Menschen mit Behinderungen schießen auch in der Bundesliga gegen und mit Schützinnen ohne Behinderungen. Im Bereich des Leistungssports muss man, wenn gemeinsam geschossen wird, jedoch auch auf die Fairness achten. Deshalb ist es bisher so, dass die Schütz*innen mit Behinderung, die ihr Sportgerät aus eigener Kraft halten können, mit den anderen schießen dürfen. Diejenigen, die das nicht können und ein Hilfsmittel zur Ablage während des Zielens benötigen, leider nicht. Wenn es um den Wettkampf geht, ist es schwierig, die richtige Balance zu finden - das gilt aber sicherlich nicht nur für den Schießsport. Eine Herausforderung besteht auch in der Zugänglichkeit der Vereinsheime. Aber wo ein Wille ist, ist auch ein Weg, und es war sehr erfreulich zu sehen, wie viele Vereine damals Interesse gezeigt und Anträge eingereicht haben, um für mehr Barrierefreiheit zu sorgen.
Inwieweit können die Paralympics dazu beitragen, Fortschritte in der Inklusion schneller zu erzielen?
Natascha Hiltrop: Durch die Paralympics rückt das Thema - auch durch die Medienpräsenz - wieder mehr in den Vordergrund und sorgt vielleicht dafür, dass mehr „Nicht-Betroffene“ Interesse zeigen und Projekte und Maßnahmen schneller vorankommen. Inklusion ist schließlich nicht nur für die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen, sondern für alle Menschen wichtig. Früher oder später sind wir alle betroffen und profitieren davon.
Was wünschst du dir für die Zukunft der Inklusion im Sport in unserem Land?
Natascha Hiltrop: Ich würde mir für die Zukunft mehr Barrierefreiheit wünschen. Leider ist es noch oft so, dass durch Treppen, zu hohe Absätze, zu schwere Türen oder fehlende behindertengerechte Toiletten einige Sportstätten nicht für jede*n zugänglich sind.
Quelle: DOSB