Auf Augenhöhe mit den Topteams der Welt
Mehr als das, was Jonas Müller an Einstellung zu seinem Beruf mitbringt, kann sich ein Trainer kaum wünschen. Auf die Frage, wie es nach der mit drei 7:0-Siegen in Folge so triumphal abgeschlossenen DEL-Finalserie gegen die Kölner Haie um seine Motivation für die am Freitag in Stockholm (Schweden) und Herning (Dänemark) beginnende WM stehe, wirkt der Abwehrspieler der Eisbären Berlin ein wenig so, als habe man ihn gerade persönlich beleidigt. „Gefeiert haben wir danach genug, das reicht erst einmal“, sagt er dann, „für mich ist das abgeschlossen. Es macht mir immer riesigen Spaß, zur WM zu fahren, die Motivation dafür ist immer da.“ Um eins klarzustellen: Niemand würde es wagen, die Arbeitsmoral des 29-Jährigen, der seit 2018 alle großen Turniere für Deutschlands Eishockey-Männer absolviert hat, infrage zu stellen. Aber nach einem solchen Rausch, wie ihn die Berliner in den vergangenen Wochen erlebten, den müden Körper noch einmal drei Wochen über die Belastungsgrenzen hinauszuschieben, dazu gehört ein hohes Maß an Professionalität.
Dass Jonas Müller diese mitbringt, unterstreicht nicht zuletzt der Fakt, dass Bundestrainer Harold Kreis ihn für die WM neben den Angreifern Marc Michaelis (Adler Mannheim) und Dominik Kahun (Lausanne HC) zum Assistenten von Kapitän Moritz Seider (Detroit Red Wings) ernannt hat. „Natürlich ehrt mich das. Ich bin sicherlich nicht der Lautsprecher, der in der Kabine große Reden schwingt. Ich versuche immer, meine Bestleistung abzurufen und damit voranzugehen, das hilft dem Team am meisten“, erläutert der in Berlin geborene und bei den Eisbären Juniors aufgewachsene Abwehrspieler seine persönliche Rolle im Nationalteam, das den Schub des so souveränen Titelspaziergangs des Hauptstadtclubs mitnehmen möchte.
Neben Müller stehen aus Berlin auch die Verteidiger Korbinian Geibel und Eric Mik sowie die Angreifer Leo Pföderl, Marcel Noebels, Frederik Tiffels und Manuel Wiederer in Kreis‘ Aufgebot. „Besonders für Geibi und Mika freut es mich sehr, sie haben sich die Nominierung durch ihre starken Leistungen in der DEL total verdient“, sagt Jonas Müller, der verschärft darauf achtet, dass kein Eisbär zu ungebührenden Höhenflügen ansetzt. Mit Justin Schütz, dem einzigen Kölner im Kader, habe man „alles ganz entspannt besprochen, das ist innerhalb der Nationalmannschaft auch kein großes Thema“, sagt Jonas Müller, „wir alle freuen uns, dass wir nach der langen Saison nun noch ein paar Wochen mit den Jungs zusammenspielen können, die sonst Gegner sind.“
2018, als Jonas Müller - damals ebenfalls in Dänemark - sein WM-Debüt erlebte, war das letzte Jahr, in dem Deutschland nicht das Viertelfinale erreichte. Seitdem hat sich die DEB-Auswahl vom chronischen Abstiegskandidaten zu einem Team entwickelt, das im Optimalfall um die Medaillen mitspielen kann. „Insbesondere die WM 2023, als wir Silber gewinnen konnten, war herausragend. Mir hat aber auch die Corona-WM 2021 sehr gefallen, weil dort ein ganz besonderer Teamgeist entstanden ist“, sagt der 1,84 Meter große Linksschütze. Als größten Entwicklungsschritt empfindet er die Tatsache, „dass wir uns gegen die Topteams nicht mehr verstecken, sondern auf Augenhöhe mithalten können. Das Niveau ist über die vergangenen Jahre kontinuierlich höher geworden, was vor allem daran liegt, dass viel mehr Konkurrenzkampf herrscht. Nicht nur, weil wir so viele gute Spieler haben, sondern weil auch alle Lust darauf haben, nach der Ligasaison auch noch die WM zu spielen.“
„Der Sport hat mir Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein gegeben“
DOSB: Der Diversity-Monat komprimiert viele Aktionstage zum Thema Diversity, die im Mai stattfinden. Welche Themen kommen dir als erstes in den Kopf, wenn du das Schlagwort Diversity hörst, was verbindest du damit?
Johanna Recktenwald: Für mich ist Diversity ein Themenmix, der mehrere Bereiche abdeckt. Ich denke dabei in erster Linie an Dinge wie Migration und Integration, Geschlechtergerechtigkeit, aber natürlich auch an Inklusion.
Über das Thema Inklusion möchten wir mit dir als herausragender Parasportlerin sprechen. Du bist durch die Zapfen-Stäbchen-Distrophie sehbeeinträchtigt. Welche persönlichen Herausforderungen hat das Sporttreiben an dich gestellt?
Die Sehbehinderung hat sich bei mir über die Zeit entwickelt, deshalb haben sich die Herausforderungen im Lauf der Jahre verändert. Als Kind habe ich Handball gespielt, aber in der dritten Klasse wurden die Beeinträchtigungen zu stark, um weiter Ballsport ausüben zu können. Ich habe dann ein paar Jahre nach dem richtigen Sport für mich gesucht. Ich habe getanzt, bin geritten, aber hatte ehrlich gesagt nicht so richtig einen Plan, was ich wirklich wollte. Dann bin ich über ein inklusives Langlaufprojekt, das im Saarland, wo ich aufgewachsen bin, von einer Blindenschule als AG organisiert wurde, in Kontakt zum Parasport gekommen.
„Inklusion ist kein Luxuszustand, sondern ein zutiefst demokratisches Grundprinzip“
DOSB: Seit 2017 arbeitest Du im Sport. Wie hat sich aus Deiner Sicht die Umsetzung der Inklusion im und durch Sport entwickelt?
PROF. SINA EGHBALPOUR: Ich bin nach wie vor sehr stolz und dankbar, dass ich Teil der ersten Runde eures wegweisenden Projekts „Sport-Inklusionsmanager*innen“ (kurz: SIMs) sein durfte. Von Beginn an hatte ich den Eindruck, dass dieses Projekt weit mehr als ein kurzfristiger Impuls war - es hat in meinen Augen einen nachhaltigen Grundstein für Veränderung in der inklusiven Sportlandschaft gelegt. Die SIMs (und jetzt auch Event-Inklusionsmanager*innen, kurz: EVIs) haben in ihren jeweiligen Regionen nicht nur wertvolle Aufklärungs- und Sensibilisierungsarbeit geleistet, sondern auch Samen gesät, aus denen vielerorts tragfähige Strukturen und wirkungsvolle Maßnahmen hervorgegangen sind.
Gerade in Nordrhein-Westfalen war die Strahlkraft besonders deutlich zu spüren. Der Landesaktionsplan NRW zeigt, dass Inklusion im Sport auch politisch zunehmend als relevante Querschnittsaufgabe wahrgenommen wird. Ich habe das Gefühl, dass wir gemeinsam einen wichtigen Schritt nach vorne gemacht haben: Es gibt spürbar mehr inklusive Sportfeste, neue Sportangebote sowie vielfältige Aus- und Fortbildungsformate.
Gleichwohl nehme ich die Entwicklung, besonders im Kontext der UN-Behindertenrechtskonvention (BRK), als zu langsam wahr - vor allem im strukturellen Bereich. Mein großes Anliegen wäre es, dauerhafte Fachkraftstellen bei Stadt- und Kreissportbünden zu etablieren. Nur so können wir meiner Meinung nach das Thema Inklusion im Sport wirklich nachhaltig verankern, unabhängig von befristeten Projektstellen oder einzelnen Förderphasen.
Es braucht für die Verbesserung von Teilhabemöglichkeiten im Sport erweiterte Handlungs- und Entscheidungsspielräume sowie eine Auswahlmenge an sowohl inklusiven Sportangeboten wie auch an Sportangeboten ausschließlich für Menschen mit Beeinträchtigung. Hierbei liegt der Fokus besonders auf dem Ziel, dass Menschen mit Beeinträchtigung eine Sportaktivität selbstbestimmt und in frei gewählten Kontexten ausüben können (§8 SGB IX Wunsch- und Wahlrecht).
Interdisziplinär sowie im Zuge der UN-BRK betrachtet, bedeutet dies für die praxisnahen Handlungsebenen Folgendes; es bedarf Aktion und Reaktion auf mehreren Ebenen: auf der gesamtgesellschaftlichen Ebene, auf der Ebene der politischen Strukturen, auf der Ebene der Sportvereine sowie auf der subjektzentrierten Ebene der Menschen mit Beeinträchtigung. Alle Ebenen sollten im Blick gehalten werden.
