Was bleibt von Paris 2024? Fünf Impulse, die über den Sport hinaus wirken
Paris 2024 war ein Wendepunkt, der durch tiefgreifende Reformen, die das Internationale Olympische Komitee (IOC) unter Präsident Thomas Bach bereits Jahre zuvor angestoßen hatte, möglich gemacht wurde. Mit der Olympic Agenda 2020, The New Norm und Olympic Agenda 2020+5 wurde die Ausrichtung Olympischer und Paralympischer Spiele grundlegend neu gedacht: transparenter, nachhaltiger, sozialer. Das Ergebnis: ein Sportgroßevent, das sich in die Gesellschaft integrierte, statt sich von ihr zu entfernen.
Reichweite und Teilhabe: Spiele für alle
Die Spiele in Paris waren keine elitäre Veranstaltung, sondern ein Fest für Millionen: Über 12 Millionen Tickets wurden verkauft, 8 Millionen Menschen besuchten die öffentlichen Fanzonen, 45.000 Volunteers engagierten sich im Einsatz vor Ort, Weltweit verfolgten 5 Milliarden Zuschauer*innen das Geschehen über TV und digitale Kanäle. Die Spiele waren dank innovativer Formate und urbaner Austragungsorte moderner, jugendlicher und inklusiver. Sie waren spürbar näher an den Menschen dran und dadurch so sichtbar wie nie.
Viele Athlet*innen wurden so zu Vorbildern, was sich direkt auf den organisierten Sport im Land auswirkte. Nach den Spielen stiegen die Mitgliederzahlen in französischen Sportvereinen deutlich an. Tischtennisvereine meldeten ein Plus von 20 Prozent, im Fechten waren es sogar 25 Prozent, beim Triathlon 32 Prozent. Auch Schwimmen, Handball, Rugby, Volleyball und der Para-Sport verzeichneten Zuwächse, beflügelt durch starke Auftritte und Medaillen heimischer Sportler*innen wie dem Schwimmer Léon Marchand und Tischtennisspieler Félix Lebrun.
„Menschenrechte sind unverhandelbar, unteilbar und universell verbindlich für alle!“
74 Jahre ist er alt, aber von Ruhestand hält Joachim Rücker wenig, und das ist gut für den Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB). Im Anfang 2023 begründeten Menschenrechts-Beirat ist der promovierte Wirtschaftswissenschaftler, der in Stuttgart lebt, als Geschäftsführer eine prägende Stütze. Die Erfahrungen, die Rücker aus seinen Stationen im Auswärtigen Amt und bei den Vereinten Nationen, deren Menschenrechtsrat er 2015 als Präsident führte, mitbringt, sind für die ehrenamtliche Arbeit im organisierten Sport Gold wert. 14 Mitglieder hat das Gremium, dem DOSB-Präsident Thomas Weikert vorsitzt. Dreimal im Jahr wird unter Projektleitung von Kirsten Witte-Abe, Leiterin Organisationsentwicklung im DOSB, getagt, einmal davon in Präsenz. So geschehen in der vergangenen Woche in Berlin, was wir zum Anlass genommen haben, mit Joachim, der auch Mitglied im 2023 einberufenen Lenkungskreis der Olympiabewerbung ist, über die wichtigsten Inhalte der Arbeit und die brennendsten Zukunftsthemen zu sprechen.
DOSB: Joachim, in wenigen Sätzen erklärt: Warum braucht ein Dachverband wie der DOSB einen Menschenrechts-Beirat?
Joachim Rücker: Das Thema Menschenrechte und deren Einhaltung hat auch im Sport immens an Bedeutung gewonnen. Die „Guiding Principles on Business and Human Rights“ der Vereinten Nationen, kurz UNGP, standardisieren den Umgang mit den menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten und sind als Richtschnur für Unternehmen, aber auch Verbände und Organisationen zu verstehen. Wenn eine Organisation, wie 2022 der DOSB, sich in ihrer Satzung zu den Menschenrechten bekennt, dann ist es wichtig, sich dazu begleitend externer Expertise zu bedienen. Das tun wir mit dem Beirat, in dem zwar auch Vertreter*innen aus DOSB-Mitgliedsorganisationen, aber überwiegend Externe sitzen, die das Präsidium des DOSB in allen Menschenrechtsfragen beraten.
Beraten bedeutet, dass ihr Empfehlungen gebt, aber keine Entscheidungsbefugnis habt oder bindende Rechtsvorschriften erarbeitet?
Korrekt. Wir verstehen uns als kritische Begleitung, die Positionen erarbeitet und klare Meinungen vertritt, ohne damit jedoch aktiv in die Politik des DOSB einzugreifen. Nach unserer Gründung wurde zunächst eine Risikoanalyse erstellt, aus der sich verschiedene Tätigkeitsfelder ergaben. Auf dieser Grundlage wurde dann die Menschenrechts-Policy des DOSB erarbeitet. Mittlerweile geht es um die Umsetzung der Policy, den Aktionsplan.
Ist ein solcher Beirat ein deutsches Phänomen, oder gibt es Vergleichbares in anderen Nationen auch?
Auch andere Nationen, die die UNGP umsetzen, haben einen Menschenrechts-Beirat im Sport, aber allzu viele sind es meines Wissens noch nicht. In erster Linie sind es nord- und westeuropäische Staaten, die zum Beispiel aktuell unter der Führung Dänemarks zusammenarbeiten, um ein internationales Leitbild für die Verankerung von Menschenrechten bei Sportgroßveranstaltungen zu erstellen.
Menschenrechte sind doch seit vielen Jahren schon ein wichtiges Thema. Wie kommt es, dass es den Beirat im DOSB erst seit drei Jahren gibt?
Das liegt daran, dass die UNGP erst 2011 entwickelt wurden. In den 2010er-Jahren ging es dann zunächst um Unternehmen. Erst Anfang dieses Jahrzehnts kam die Einsicht, dass sie auch für Verbände und Organisationen analog anwendbar sind. Entsprechend hat der DOSB 2022 das Thema in seine Satzung aufgenommen und es kam zur Gründung des Beirats.
Geht es bei eurer Arbeit vorrangig darum, die Menschenrechte und deren Einhaltung als wichtiges Thema sichtbar zu machen, oder gibt es tatsächlich substanzielle Veränderungen, die durch die UNGP und deren Umsetzung möglich werden?
Es geht um beides. Einerseits ist es wichtig, dem Thema dauerhafte Sichtbarkeit zu geben. Andererseits hat es zum Beispiel auf Unternehmensebene mit dem Lieferkettengesetz - auch wenn die entsprechende Berichterstattung derzeit suspendiert ist - substanzielle Veränderungen gegeben, die etwa dazu geführt haben, dass Kinder- und Zwangsarbeit in den Lieferketten so weit wie irgend möglich ausgeschlossen wird.
Dann lass uns konkret über ein paar Themen sprechen, die euch im Beirat bewegen. Ihr habt vergangene Woche euer Jahrestreffen in Berlin gehabt. Was waren die wichtigsten Punkte auf der Tagesordnung?
Zunächst einmal möchte ich festhalten, dass wir uns nicht zufällig in Berlin getroffen haben. Berlin ist aktuell auch Austragungsort der World University Games, die hauptsächlich in Nordrhein-Westfalen stattfinden. Wir haben uns mit dem Menschenrechtskonzept dieser Weltspiele der Studierenden ausführlich befasst und es als durchaus vorbildlich eingeordnet. Deshalb war es schön, sich vor Ort auch direkt von diesem Sportgroßevent inspirieren zu lassen. Grundsätzlich lässt sich sagen, dass aus den vergangenen Jahren viele Lehren gezogen wurden und das Thema Menschenrechte sehr gut in Sportgroßveranstaltungen integriert werden kann. Das ist ja auch bei der UEFA Euro 2024 gut gelungen. Aber um die Frage zu beantworten: Ein Schwerpunkt war der Umgang mit antidemokratischem Verhalten.
„Menschenrechte sind unverhandelbar, unteilbar und universell verbindlich für alle!“
74 Jahre ist er alt, aber von Ruhestand hält Joachim Rücker wenig, und das ist gut für den Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB). Im Anfang 2023 begründeten Menschenrechts-Beirat ist der promovierte Wirtschaftswissenschaftler, der in Stuttgart lebt, als Geschäftsführer eine prägende Stütze. Die Erfahrungen, die Rücker aus seinen Stationen im Auswärtigen Amt und bei den Vereinten Nationen, deren Menschenrechtsrat er 2015 als Präsident führte, mitbringt, sind für die ehrenamtliche Arbeit im organisierten Sport Gold wert. 14 Mitglieder hat das Gremium, dem DOSB-Präsident Thomas Weikert vorsitzt. Dreimal im Jahr wird unter Projektleitung von Kirsten Witte-Abe, Leiterin Organisationsentwicklung im DOSB, getagt, einmal davon in Präsenz. So geschehen in der vergangenen Woche in Berlin, was wir zum Anlass genommen haben, mit Joachim, der auch Mitglied im 2023 einberufenen Lenkungskreis der Olympiabewerbung ist, über die wichtigsten Inhalte der Arbeit und die brennendsten Zukunftsthemen zu sprechen.
DOSB: Joachim, in wenigen Sätzen erklärt: Warum braucht ein Dachverband wie der DOSB einen Menschenrechts-Beirat?
Joachim Rücker: Das Thema Menschenrechte und deren Einhaltung hat auch im Sport immens an Bedeutung gewonnen. Die „Guiding Principles on Business and Human Rights“ der Vereinten Nationen, kurz UNGP, standardisieren den Umgang mit den menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten und sind als Richtschnur für Unternehmen, aber auch Verbände und Organisationen zu verstehen. Wenn eine Organisation, wie 2022 der DOSB, sich in ihrer Satzung zu den Menschenrechten bekennt, dann ist es wichtig, sich dazu begleitend externer Expertise zu bedienen. Das tun wir mit dem Beirat, in dem zwar auch Vertreter*innen aus DOSB-Mitgliedsorganisationen, aber überwiegend Externe sitzen, die das Präsidium des DOSB in allen Menschenrechtsfragen beraten.
Beraten bedeutet, dass ihr Empfehlungen gebt, aber keine Entscheidungsbefugnis habt oder bindende Rechtsvorschriften erarbeitet?
Korrekt. Wir verstehen uns als kritische Begleitung, die Positionen erarbeitet und klare Meinungen vertritt, ohne damit jedoch aktiv in die Politik des DOSB einzugreifen. Nach unserer Gründung wurde zunächst eine Risikoanalyse erstellt, aus der sich verschiedene Tätigkeitsfelder ergaben. Auf dieser Grundlage wurde dann die Menschenrechts-Policy des DOSB erarbeitet. Mittlerweile geht es um die Umsetzung der Policy, den Aktionsplan.
Ist ein solcher Beirat ein deutsches Phänomen, oder gibt es Vergleichbares in anderen Nationen auch?
Auch andere Nationen, die die UNGP umsetzen, haben einen Menschenrechts-Beirat im Sport, aber allzu viele sind es meines Wissens noch nicht. In erster Linie sind es nord- und westeuropäische Staaten, die zum Beispiel aktuell unter der Führung Dänemarks zusammenarbeiten, um ein internationales Leitbild für die Verankerung von Menschenrechten bei Sportgroßveranstaltungen zu erstellen.
Menschenrechte sind doch seit vielen Jahren schon ein wichtiges Thema. Wie kommt es, dass es den Beirat im DOSB erst seit drei Jahren gibt?
Das liegt daran, dass die UNGP erst 2011 entwickelt wurden. In den 2010er-Jahren ging es dann zunächst um Unternehmen. Erst Anfang dieses Jahrzehnts kam die Einsicht, dass sie auch für Verbände und Organisationen analog anwendbar sind. Entsprechend hat der DOSB 2022 das Thema in seine Satzung aufgenommen und es kam zur Gründung des Beirats.
Geht es bei eurer Arbeit vorrangig darum, die Menschenrechte und deren Einhaltung als wichtiges Thema sichtbar zu machen, oder gibt es tatsächlich substanzielle Veränderungen, die durch die UNGP und deren Umsetzung möglich werden?
Es geht um beides. Einerseits ist es wichtig, dem Thema dauerhafte Sichtbarkeit zu geben. Andererseits hat es zum Beispiel auf Unternehmensebene mit dem Lieferkettengesetz - auch wenn die entsprechende Berichterstattung derzeit suspendiert ist - substanzielle Veränderungen gegeben, die etwa dazu geführt haben, dass Kinder- und Zwangsarbeit in den Lieferketten so weit wie irgend möglich ausgeschlossen wird.
Dann lass uns konkret über ein paar Themen sprechen, die euch im Beirat bewegen. Ihr habt vergangene Woche euer Jahrestreffen in Berlin gehabt. Was waren die wichtigsten Punkte auf der Tagesordnung?
Zunächst einmal möchte ich festhalten, dass wir uns nicht zufällig in Berlin getroffen haben. Berlin ist aktuell auch Austragungsort der World University Games, die hauptsächlich in Nordrhein-Westfalen stattfinden. Wir haben uns mit dem Menschenrechtskonzept dieser Weltspiele der Studierenden ausführlich befasst und es als durchaus vorbildlich eingeordnet. Deshalb war es schön, sich vor Ort auch direkt von diesem Sportgroßevent inspirieren zu lassen. Grundsätzlich lässt sich sagen, dass aus den vergangenen Jahren viele Lehren gezogen wurden und das Thema Menschenrechte sehr gut in Sportgroßveranstaltungen integriert werden kann. Das ist ja auch bei der UEFA Euro 2024 gut gelungen. Aber um die Frage zu beantworten: Ein Schwerpunkt war der Umgang mit antidemokratischem Verhalten.